Mitreißendes Einfrautheater am GymTT

Gymnasium Traben-Trabach, 01.02.2023

Eine Schauspielerin, ein Möbelstück und drei Requisiten auf einer blutroten Bühne: Mehr benötigte das Knirps-Theater nicht, um 70 Schülerinnen und Schüler in die Tiefen von Schuld, Rache und Gerechtigkeit zu reißen!
Dabei fängt alles so harmlos an: in den großen Klassenraum am Moselgymnasium kommt eine Frau mit Koffer, begrüßt alle freundlich und setzt sich ganz unspektakulär auf einen etwas seltsamen Stuhl. Doch schon nach kurzer Zeit bricht ein theatrales Gewitter los, in dem die Schauspielerin Astrid Sacher 14 verschiedene Rollen ganz alleine spielt und so das jugendliche Publikum in den Bann des Stückes „Der Besuch der alten Dame“ zieht.
Allerdings wurde nicht genau das Stück von Dürrenmatt gespielt, sondern ein komisch-bösartiges Solo, bei dem die Tochter jener alten Dame mit Rückblenden ihre Sicht der Ereignisse präsentiert. Dabei ist der Wechsel der Rollen fließend und wird über typische Gesten, Haltungen, Stimmen und schließlich die Position zum einzigen Möbelstück auf der Bühne verdeutlicht. Es wird quasi um den Stuhl herumgespielt und dieser ist wahlweise einfach ein Stuhl oder eine Kanzel, ein Tresen, ein Balkon oder ein Versteck! Und genau in diesem Konzept liegt auch die besondere Wirkung des Stückes. Minimaler Aufwand bei maximalem Ausdruck, denn das, was Astrid Sacher auf der Bühne in 70 Minuten abliefert, ist ein grotesk-lustvolles Panoptikum an Schauspielkunst, mit dem sie die schrägen Charaktere ihrer Figuren belebt.
Die Schülerinnen und Schüler waren dementsprechend nach dem Stück auch sichtlich begeistert und stellten bei der nachfolgenden Fragestunde viele Fragen nicht nur zum gesehenen Stück und dessen Interpretation, sondern auch zum Konzept der Adaption, zu Schauspielkunst allgemein und zu den Möglichkeiten und Grenzen des Darstellbaren. Das war kein Wunder, denn schließlich befanden sich auch einige Schülerinnen und Schüler mit dem Fach Darstellendes Spiel unter den Zuschauern – und diese waren natürlich brennend interessiert daran, Informationen direkt von der „Quelle“ zu bekommen.

von Kai aus dem Bruch, Gymnasium Traben-Trabach


Alte Dame auf neuer Freilichtbühne

TROMM, 08.08.2022

Jürgen Flügge und Astrid Sacher bringen Dürrenmatts Erfolgsstück als mitreißendes Solo in schlichtem Rahmen auf die Bühne des Trommer Sommers.



Tromm. Nach und nach füllt sich die kleine, feine Freilichtbühne des Spielplatzes beim Odenwaldinstitut. An diesem Bilderbuchsommerabend wird sie von Astrid Sacher eingeweiht, mit einer Premierenvorstellung, die bestes Schauspiel auf eine wohltuend minimalistisch ausgestattete Bühne bringt.
Eine rund zehn Quadratmeter große rote Folie steckt den Bewegungsraum ab, in dem die Darstellerin in den folgenden gut 70 Minuten im Stück „Ger(a)echt?“ einer Menge verschiedener Charaktere Gestalt und Stimme gibt. Immer wieder erhebt sie mit zynischem und deutlich verletztem Ton die Stimme der Milliardärin Claire Zachanassian. Im nächsten Moment wird sie zum anfänglich überheblichen und selbstsicheren Alfred Ill, und beim Besuch der alten Dame im verarmten Städtchen Güllen verwandelt sich der Stuhl – neben einem Kasten die einzige Bühnenrequisite – vom Bahnhofunterstand in ein Rednerpult, ehe das einstige Clairchen als gestandene Claire auf dem Stuhl majestätisch sicher Platz nimmt.
Bei all der Fülle verschiedenster Charaktere spielt Astrid Sacher bewundernswert sicher durch eines der bekanntesten deutschsprachigen Schauspiele. Dem Schweizer Friedrich Dürrenmatt brachte die Uraufführung der tragischen Komödie „Der Besuch der alten Dame“ im Jahr 1956 den internationalen Durchbruch. Dass der Inhalt nie verstaubte und gerade in den heute herrschenden Krisen an Aktualität zunahm, macht die zum Solostück zusammengefasste, konzentrierte Inszenierung beim Trommer Sommer am Samstagabend umso kostbarer.
Ironische Anspielungen
Regisseur Jürgen Flügge und Astrid Sacher haben dem Spiel um Rache und Gerechtigkeit, um Scheinmoral und Macht eine Menge Feinschliff verpasst. Es wurde mit Leidenschaft für die Bühne, mit Gefühl für den Rhythmus der Handlung, ihre Kehrtwendungen und ironischen Anspielungen gearbeitet. Die Wechsel der Personen sind fließend, ihre Gesten stimmig. Sacher kann so mitreißen und die Handelnden so lebensnah mimen, dass es sogar unvermittelt aus dem Publikum kurze Reaktionen und Zurufe gab – eine Zustimmung besonderer Güte. Dürrenmatts provokante Botschaft von der käuflichen Gerechtigkeit entfaltet auch in „Ger(a)echt?“ in Verbindung mit dem korrupten Polizisten, dem scheinheiligen Geistlichen oder der manipulierten Presse ihre Wirkung. Da entwickelt sich Zündstoff für Diskussionen über Moral. Als es schon zu spät ist, als sich die Schuld bereits ihren Weg durch die Bürger von Güllen gebahnt und der kollektive Wunsch nach materiellem Wohlstand alle erfasst hat, wird die grausame Tat am schuldigen Alfred Ill als unvermeidliches, gerechtes Opfer vollzogen.
„Diese Stadt machte mich zur Hure, jetzt mache ich sie zum Bordell.“ Dieser zweimal gesprochene Kernsatz ist wie ein Damoklesschwert, das über einer Gemeinschaft hängt. Als Zuschauer bleibt man reflektierend mit vielen Zweifeln an sich selbst zurück. Die sind gerade heute wohl angebracht in einer Zeit, in der sich viele selbst der Nächste sind. Umso mehr ist es Flügge und Astrid Sacher zu wünschen, dass ihre Version der alten Dame öfter in Schulen aufgeführt werden kann, denn dafür ist die mit einfachstem Bühnenbild arbeitende Inszenierung geradezu prädestiniert. Weil erstmals beim Trommer Sommer auf der kleinen Freilichtbühne große Schauspielkunst geboten wurde, war der lange anhaltende, starke Beifall am Ende auch absolut angebracht.

Pressebericht Odenwälder Zeitung,
Premiere beim „Trommer Sommer“ Festival 08.2022


Zuschauerstimmen:

  • Eine Frau erzählt. Auf einmal ist da ein Mann, ein weiterer, eine ganze Kleinstadt wird lebendig. Es ist total spannend, wie ein so schneller Wechsel zwischen den Charakteren gelingt.
  • Nach dieser Vorstellung ist mir klar geworden, wie hoch aktuell das Stück ist.
  • Ich besorge mir sofort das Stück. Nun habe ich richtig Lust, es zu lesen.
  • Es war spannend und keine Sekunde langweilig.
  • Unglaublich, so viele Figuren auf einmal zu spielen! Und man wusste sofort, wer sprach, nur aufgrund der Haltung und der Stimme.
  • Zeitgemäß, aktuell, verständlich und dennoch ganz dicht am Stück.
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